In diesem Beitrag spreche ich über gute und schlechte Lenormandkarten. Grundlegend sind die 36 Symbole in drei qualitative Kategorien eingeteilt. Dazu zählen positive, negative und neutrale Karten. Prinzipiell ist eine solche Zuordnung richtig, denn nur so erfahren wir, welcher Grundcharakter bei den einzelnen Karten überwiegt. Einer der am weitesten verbreiteten Irrtümer über das Lenormand ist jedoch die Annahme, dass gute Karten stets etwa Gutes bedeuten und schlechte Karten immer ein negative Signal senden. Demnach würden Symbole wie Blumen oder Sterne in jedem Fall eine frohe Botschaft bereithalten und Symbole wie Berg oder Schlange stets als schlechtes Omen gelten. Kann es wirklich sein, dass sich die Karten immer gleich verhalten? Sind die guten Feen und die bösen Buben im Lenormand immer dieselben?
Ying und Yang spiegelt sich im Lenormand
Nichts auf dieser Welt lässt sich kategorisch in reines Schwarz oder Weiß einteilen. Sie kennen das Ying-Yang-Zeichen, das in jeder Hälfte jeweils einen Punkt mit der Farbe der anderen Hälfte enthält. Wo Licht ist, fällt auch Schatten. Andersherum gilt das Gleiche. Selbst wenn es noch so dunkel ist, gibt es immer einen Lichtstreifen am Horizont. So will es die natürliche Ordnung, die keine hundertprozentige Dualität vorsieht. Wie lässt sich dieser Fakt auf die Lenormandkarten übertragen?
Positiv anmutende Karten können in einem bestimmten Kontext ein negatives Korn enthalten. Ebenso tragen vermeintlich schlechte Karten auch einen guten Kern in sich, auch wenn dieser Anteil nur verhältnismäßig klein ist. Von daher müsste der Begriff „Positive Karten“ umformuliert werden in „Überwiegend positive Karten“ und aus „Negative Karten“ würde „Überwiegend negative Karten“. Da sich diese Formulierung recht holprig anhört, ist es in Ordnung, es bei den üblichen Bezeichnungen zu lassen. So halte ich es auch in meinem Lenormand Basisbuch. Jedoch sollte jeder wissen, dass dies für keine Lenormandkarte zu 100% gilt.
Wann bedeuten die Karten das Gegenteil?
Wer sich mit Astrologie oder Tarot beschäftigt, weiß, dass jedem darin enthaltenen Symbol, Zeichen oder Planeten gute wie schlechte Qualitäten in unterschiedlicher Gewichtung innewohnen. In gleicher Weise verhält es sich mit der Symbolsprache des Lenormand. Betrachten wir die Karte der Blumen, rücken wir ihre positiven Bedeutungen in den Vordergrund jeder Deutung. Daran ist erstmal nichts verkehrt, weil wir damit in den meisten Fällen richtigliegen. Jedoch können die Blumen als positive Karte in manchen Fällen negativ ausgelegt werden. Aus Freude und Spaß wird Genuss- und Vergnügungssucht, aus Fülle wird Maßlosigkeit und aus einer positiven Einstellung wird die rosarote Brille. All diese schlechten Eigenschaften sind in der Karte der Blume als „schwarzes Körnchen“ verborgen. Trotz der geringen Gewichtung ist dieser Negativanteil in bestimmten Deutungssituationen von Bedeutung. Doch wann ist das der Fall?
Sobald wir mithilfe des Lenormand Verhaltensmuster und Charaktereigenschaften ergründen, benötigen wir beim Blick auf die Qualität der Karten manchmal einen Perspektivwechsel. Zum Beispiel immer dann, wenn wir gezielt nach einer schlechten Gewohnheit oder Eigenschaft fragen. Eine solche Frage könnte so lauten: „Was ist einer der schlechtesten Charakterzüge von Person X?“. Mit den guten Qualitäten der Blumen kommen bei dieser Frage nicht weiter. Denn wir wollen ja erfahren, welche Schattenseiten der befragte Charakter hat. Demzufolge müssen wir uns anschauen, wie sich die guten Eigenschaften der Blumen in schlechte umwandeln lassen. Wie das geht, erfahren Sie gleich.
Umgekehrt verhält es sich mit der Bedeutung der negativen Karten wie beispielsweise dem Turm. Würden wir wissen wollen, was eine bestimmte Person lernen muss, um Ihre Ziele besser zu erreichen, müssten die vorwiegend negativen Aspekte der Karten komplett ausgeblendet werden. Ausnahmsweise zählen jetzt nur die guten Seiten. Für diesen Perspektivwechsel müssen wir den Turm kurzerhand „umbauen“. Aus Strenge und Unnachgiebigkeit wird Disziplin und Konsequenz. Damit liegt die korrekte Antwort auf unsere Frage auf der Hand.
Wie kommt man auf die gegenteiligen Bedeutungen der guten und schlechten Lenormandkarten?
Wie Sie merken, ist es durchaus lohnenswert, die verborgenen Seiten der Symbole genauer anzusehen. Auch wenn diese Bedeutungsfacetten häufig nur im psychologischen Kontext eine Rolle spielen, sollten Sie sie gerade dann richtig erkennen. Sie stoßen dabei auf das Körnchen Wahrheit, das viele beim Deuten übersehen. Denn genau an diesem Punkt trennt sich die Spreu vom Weizen. Hier zeigt sich, wer die Karten mit all ihren Merkmalen wirklich beherrscht und im Bedarfsfall um die Ecke denken kann.
Es ist kein großer Aufwand, sich die „Kehrseiten“ einzuprägen. Im Prinzip geht es darum, die guten Eigenschaften einer positiven Karte ins Extreme zu steigern, sodass sie übersteigert und damit unangenehm sind. Am Beispiel der Sonne, siehe unten, können Sie den überzogenen Charakter gut erkennen. Aus Selbstbewusstsein wird Selbstherrlichkeit und Stolz wird Arroganz. Beim Sarg wird zum Beispiel die Leidensfähigkeit zur Leidenschaft. Eben hatten wir schon beim Turm gesehen, dass Unnachgiebigkeit sich in Konsequenz verwandelt.
Andersherum wandeln sich bei negativen Karten schlechte Eigenschaften oder schwierige Zustände in etwas Positives. Die Karte Sarg, siehe Beispiel unten, zeigt das sehr schön. Das funktioniert auch mit den Lenormandkarten, die als neutral einzustufen sind (siehe Band 1, Der Lenormandkarten-Lehrgang, Kapitel: Neutrale Karten), z. B. Eulen, Ring und Brief. Eigenschaften eines Symbols können also bei jeder Karte, egal welcher Qualität, zu einer Extremform gesteigert werden und damit zu einem Zerrbild ihrer selbst werden. Sehen wir uns ein paar Beispiele an, die dieses Prinzip verdeutlichen.
Beispiele für die umgekehrten Eigenschaften der Lenormandsymbole
Ursprüngliche Bedeutung
Sonne (Positive Karte)
Selbstbewusstsein, Stolz, Würde, Präsenz
Umgekehrte / übersteigererte Bedeutung
Sonne (Positive Karte)
Selbstherrlichkeit, Arroganz, Vermessenheit, übertriebener Selbstdarstellung
Ursprüngliche Bedeutung
Haus (Positive Karte)
Sicherheit, Ordnung, Stabilität, Komfort
Umgekehrte / übersteigererte Bedeutung
Haus (Positive Karte)
Unbeweglichkeit, Engstirnigkeit, festgefahrenen Strukturen, Bequemlichkeit
Ursprüngliche Bedeutung
Sarg (Negative Karte)
Beendigung, Abgründe, Leidensfähigkeit
Umgekehrte / übersteigererte Bedeutung
Sarg (Positive Karte)
Loslassen, Vertiefung, Leidenschaft
Ursprüngliche Bedeutung
Wolken (Negative Karte)
Irritation, Unsicherheit, Flucht, Lebensferne, Versponnenheit
Umgekehrte / übersteigererte Bedeutung
Wolken (Negative Karte)
Fantasie, Sinnsuche, Ablösung von irdischer und materieller Fixierung, Visionsgabe
Ursprüngliche Bedeutung
Brief (Neutrale Karte)
Unterhaltsamkeit, Eile, Mitteilsamkeit
Umgekehrte / übersteigererte Bedeutung
Brief (Neutrale Karte)
Oberflächlichkeit, Flüchtigkeit, Geschwätzigkeit
Ursprüngliche Bedeutung
Fische (Neutrale Karte)
Sensibilität, Empathie, Sehnsucht, Transzendenz
Umgekehrte / übersteigererte Bedeutung
Fische (Neutrale Karte)
Überempfindlichkeit, Beeinflussbarkeit, Abhängigkeit, Realititätsverlust
Grenzen der Wandelbarkeit
Die Fähigkeit, Bedeutungen von Lenormand Symbolen in ihr Gegenteil zu verwandeln, hat eindeutig klare Grenzen. Für Eigenschaften guter und schlechter Lenormandkarten muss die Umkehrbarbeit gelten, um in psychologischer und seelischer Hinsicht bestimmte Fragetypen beantworten zu können. Allerdings ist es nicht möglich, alle Bedeutungen der Karten beliebig umzuwandeln. Im Kern bleibt die Grundqualität einer Karte immer bestehen und kann nicht einfach zum Selbstzweck andersherum gedeutet werden. Aus der Distanz beim Turm wird niemals Nähe und aus der Einschränkung wird keine Bereicherung.
Sehen wir uns nochmal ein Beispiel an, um diese wichtige Regel zu verdeutlichen. Angenommen die Frage lautet: Was ist meine größte Stärke?
Die Karten zeigen als Ergebnis Turm und Sarg. Würden bei dieser Frage nach Charaktereigenschaften die üblichen Eigenschaften herangezogen, müsste man fast Antworten: Da gibt es keine Stärke, weil den beiden negativen Karten wie Turm und Sarg nichts Positives abzugewinnen ist. Falsch! Erstens wäre so eine Antwort niederschmetternd. Zweitens würde sie keinem Menschen gerecht werden. Wenn man dagegen die Fähigkeit beschreibt, über Mißerfolge (Turm) gut hinwegzukommen (Loslassen als gute Qualität des Sarges) klingt das wesentlich wertvoller und wahrheitsgetreuer. Ebenso könnte man sagen: Die größte Stärke dieser Person ist, in Krisen (Sarg) standhaft zu bleiben und die Kontrolle zu bewahren (Turm).
Weiteres Beispiel: Wieder geht es um die Frage nach starken Charaktereigenschaften. Dieses Mal ziehen Sie die Eulen mit dem Fuchs, der auf diese blickt. An sich keine freundliche Kombination, aber wir müssen sie positiv betrachten, weil es um die Stärke einer Persönlichkeit geht. Hier könnte antworten, dass die Person einen guten Beobachtungssinn hat und Situationen oder andere Menschen schnell durchschaut. Die „Argusaugen“ der Eulen gepaart mit der Schläue des Fuchses führt zu dieser Interpretation.
Fragen wir einmal anders herum nach der größten Schwäche einer Person. Wenn nun positive Karten wie zum Beispiel Klee und Blumen fallen, müsste man diese Karten mit ihren negativen Attributen betrachten. Dabei käme folgende Deutung in Frage: Die Person ist vergnügungssüchtig und lässt keine Gelegenheit aus, zu feiern oder wegzugehen. Oftmals stellt sie den Spaß über die Pflichten und ist sich zu wenig ihrer Verantwortung und Aufgaben bewusst. Es gibt Situationen, wo sie den Ernst der Lage nicht erkennt und mit Humor oder Oberflächlichkeit zu überspielen versucht.
Lautet die Frage allerdings: Wie wird die Antwort auf meine Bewerbung ausfallen?
So würden Turm und Sarg aus unserem vorherigen Beispiel hier ultimativ bedeuten, dass die Antwort auf die Bewerbung negativ ist oder gar keine Antwort erfolgt. Bei dieser Frage nach einem Verlauf oder Ereignis dürfen wir die Bedeutungen der Karten keinesfalls ins Gegenteil verkehren. Wenn es um die Vorhersage von Entwicklungen geht, müssen wir die Grundaussage und den Grundcharakter der guten und schlechten Lenormandkarten bewahren.
Wieder stellt sich dabei heraus, dass eine präzise Fragestellung das A und O ist, damit wir die Gewichtung der Karten vornehmen können. Nur mit konkreten, fallbezogenen Fragen können wir die Qualität der Karten entsprechend erkennen und richtig deuten.
In diesem Blogbeitrag verrate ich Ihnen eine weitere Ausnahme, bei der negative Karten immer positiv gedeutet werden.
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